Physiknobelpreis 1968: Luis Walter Alvarez

Physiknobelpreis 1968: Luis Walter Alvarez
Physiknobelpreis 1968: Luis Walter Alvarez
 
Der amerikanische Forscher wurde »für seinen entscheidenden Beitrag zur Elementarteilchenphysik« ausgezeichnet.
 
 
Luis Walter Alvarez, * San Francisco 13. 6. 1911, ✝ Berkeley (Kalifornien) 1. 9. 1988; ab 1945 Professor für Physik an der Berkeley University in Kalifornien; wies 1937 den von Hideki Yukawa vorausgesagten Elektronen-K-Einfang nach, bestimmte 1939 zusammen mit Felix Bloch das magnetische Moment des Neutrons, arbeitete an der Entwicklung des Radars und der Atombombe mit.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Luis Alvarez war maßgeblicher Förderer der Idee von Donald Glaser (Nobelpreis 1960), eine Blasenkammer zum Nachweis subatomarer Teilchen zu verwenden. Er entwickelte das Konzept in entscheidenden Teilen weiter und machte es zu einem wichtigen Instrument der Nuclearteilchenphysik.
 
 Mit Bläschen den Teilchen auf der Spur
 
Glasers Konzept einer Blasenkammer ist die stark modifizierte Form der Nebelkammer von Charles Wilson (Nobelpreis 1927). Er hatte anstelle eines übersättigten Nebels überhitzten Diethylether verwendet, um die Spuren subatomarer Teilchen sichtbar zu machen. Luis Alvarez nahm Glasers Vorstellung von 1953 auf, ersetzte aber das Narkosemittel Diethylether durch Wasserstoffgas, das er durch Kühlung auf weniger als -253 Grad Celsius verflüssigte. Durchlaufen winzige Teilchen die Flüssigkeit, erhitzt sie sich entlang des Teilchenpfads und bildet Bläschen. Diese Blasenspuren lassen sich dokumentieren. Aus ihrem Verlauf kann auf die Eigenschaften der jeweiligen Teilchen geschlossen werden. Da die Blasenkammer von Alvarez ausschließlich Wasserstoff enthält, können alle Reaktionen nur mit dem Wasserstoffkern, einem Proton, ablaufen, was die Interpretation der Teilchenspuren wesentlich vereinfacht.
 
Die Erforschung subatomarer Teilchen lief seit der Entdeckung des Positrons durch den amerikanischen Physiker Carl David Anderson (Nobelpreis 1936) auf Hochtouren. Im Labor der Arbeitsgruppe von Alvarez fielen gleich zu Beginn des Einsatzes der Blasenkammer eine Million Bilder im Jahr an. Da es großer Sorgfalt bedurfte, die vielen Fotografien auszuwerten, konstruierte Alvarez immer bessere automatische Instrumente zum Einlesen und Messen der Teilchenspuren. Es gelang ihm, die Informationen der Blasenkammer-Fotografien in computerlesbare Daten umzuwandeln. Das war damals eine unerhörte Pionierleistung, die allerdings auf den geheimen militärischen Forschungen zur Entwicklung der Atombombe beruhte. Viele Forscher hatten zur Vervollkommnung von Glasers Idee beigetragen. Alvarez' Arbeitsgruppe war jedoch maßgeblich beteiligt. Ihre Idee, flüssigen Wasserstoff zu verwenden, verhalf der Blasenkammer zum Durchbruch als wichtiges Nachweis- und Analyseinstrument subatomarer Teilchen in der Hochenergiephysik.
 
 Militärische Forschung
 
Wie viele Physiker hatte Alvarez am Atombombenprojekt mitgearbeitet. Nach dem Krieg ist die Elementarteilchenphysik im Interesse der nationalen Sicherheit der USA sehr verstärkt worden. Das Strahlungslabor unter der Leitung von Ernest Orlando Lawrence (Nobelpreis 1939) wuchs zu einer Großforschungseinrichtung mit riesigen Teilchenbeschleunigern. Die Ergebnisse des Manhattan-Projekts zum Bau der Atombombe flossen direkt in die Arbeiten des Laboratoriums ein. Unter dem Eindruck der Explosion der ersten sowjetischen Atombombe am 29. August 1949 stellten Lawrence und Alvarez ihre Arbeit wieder in den Dienst der militärischen Sache. Sie unterstützten das von dem ungarisch-amerikanischen Physiker Edward Teller geleitete Programm zum Bau der »superbomb«, der Wasserstoffbombe. Der polnisch-amerikanische Physiker Isaac Isidor Rabi (Nobelpreis 1944) begrüßte die Rückkehr der »Champions« mit den Worten: »Ihr Burschen müsst über Jahre mit euren Zyclotronen und Kernen spielen. Es ist Zeit, zur Arbeit zurückzukehren.« Im Zuge der Forschungen an dem Projekt, mit Neutronenstrahlern ausreichend Tritium für die Wasserstoffbombe herzustellen, wurden mehrere der damals größten Teilchenbeschleuniger der Welt gebaut. Die nichtmilitärischen Forschungsergebnisse können als ein Abfallprodukt dieser Bemühungen gesehen werden.
 
Seit Hideki Yukawa (Nobelpreis 1949) 1935 das Meson postuliert hatte, wurden immer mehr Teilchen theoretisch vorausgesagt. Viele Forscher versuchten in der Folge, solche Teilchen nachzuweisen. Besonders erfolgreich war der englische Physiker Cecil Frank Powell (Nobelpreis 1950), der das positive Pion (Pi-Meson), das Antipion und ein Kaon (K-Meson) nachweisen konnte. 1948 gelang es dem Amerikaner Fred Martin Gardner und dem brasilianischen Physiker Cesare Lattes, das Pion künstlich am großen 184-Zoll-Zyklotron in Berkeley zu erzeugen. Ein Jahr später wiesen am selben Ort die deutsch-amerikanischen Physiker Wolfgang Kurt Hermann Panofsky und Jack Steinberger (Nobelpreis 1988) das neutrale Pion nach. Das radiologische Institut in Berkeley lieferte eine fruchtbare Umgebung für die Nuklearteilchenphysik. Alvarez war bereits der achte Nobelpreisträger, der aus der Schule von Lawrence hervorging. Er interessierte sich sehr für die Struktur der Materie.
 
 Entdeckung eines Resonanzteilchens
 
Die immer neuen Teilchen hatten die Vorstellung von einer übersichtlichen Grundstruktur der Materie bereits nachhaltig erschüttert. Enrico Fermi (Nobelpreis 1938) machte sie noch komplizierter. Als er die Wechselwirkung von Pionen und Protonen untersuchte, stellte er fest, dass die Lebensdauer des jeweils angeregten Teilchens mit 10-23 Sekunden extrem kurz war. Da Pionen und andere Teilchen eine vergleichsweise ewige Lebensspanne von 10-10 Sekunden aufweisen, vermutete man zunächst, dass sie für kurze Zeit in diesen angeregten Zustand übergehen und sprach von Resonanzzustand. Bei näherer Betrachtung stellte sich jedoch heraus, dass die Vorstellung von angeregten Elementarteilchen falsch war. Die vermeintlichen Resonanzen mussten eine ganz neuartige Gruppe von Teilchen darstellen. Die Resonanzteilchen unterscheiden sich, wie sich zeigen sollte, in der Art der Wechselwirkung, die für ihren Zerfall verantwortlich sind. Sie zerfallen extrem schnell (10-23 Sekunden) über die starke, die übrigen Elementarteilchen — außer Protonen, Neutronen und Elektronen — in 10-10 Sekunden über die schwache Wechselwirkung. Auch die Arbeitsgruppe um Alvarez beteiligte sich an der Erforschung der seltsamen Resonanzen, die eine größere Ruhemasse aufweisen als Neutronen oder Protonen. 1959gelang es ihr, das Resonanzteilchen Xi nachzuweisen.
 
Nach seiner Emeritierung befasste sich Alvarez mit ganz anderen Dingen. 1980 entdeckte er gemeinsam mit seinem Sohn ein ungewöhnlich hohes Vorkommen des Elements Iridium in der Erdkruste im Übergang Kreide-Tertiär. Er schloss daraus auf den Einschlag eines kosmischen Körpers, der zum Aussterben zahlreicher Organismenarten unter anderem der Dinosaurier geführt haben soll.
 
U. Schulte

Universal-Lexikon. 2012.

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